Firmengeschichte

Grete Wendt

Grete Wendt beobachtete das Leben, reiste durch Europa und schuf eine Vielzahl von Figuren – allen voran die Engel mit den grünen Flügeln und elf Punkten. Als sie für ihre besondere Fertigungstechnik, bei der erst beim Zusammenfügen der gedrechselten, gefrästen und geschliffenen Holzteile die figürliche Komposition entsteht, im Jahre 1937 auf der Weltausstellung in Paris eine Goldmedaille verliehen bekam, war der internationale Siegeszug der Engelmusikanten nicht mehr aufzuhalten. Vielleicht spürte sie schon damals: Was den Menschen mitunter unmöglich ist, vermag die Macht der Engel zu vollbringen.

Olly Wendt, geb. Sommer

Für Jahrzehnte an Gretes Seite: Olly Wendt verliebte sich in den Bruder von Grete Wendt, heiratete ihn und blieb ein Leben lang in Grünhainichen. Ihre Handschrift im Sortiment hinterließ sie vor allem mit dem Farbenreichtum und mit den beliebten Margeritenengeln, die an ihre baltische Heimat erinnern.

Seit 1915 steht Wendt & Kühn für feine deutsche Handarbeit in ihrer schönsten Vollendung. Generation für Generation blieben die Meisterschaft und das handwerkliche Geschick bei der figürlichen Fertigung erhalten. Bis heute werden das Vermächtnis mit einer behutsamen Weiterentwicklung und zeitgemäßen Interpretation des Musterschatzes durch die Jahrzehnte getragen und die Geschicke des Unternehmens von Nachkommen der Familie Wendt geführt.

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Der Ursprung

Der Sommer des Jahres 1884 hat Grünhainichen, vor allem die Spielzeugmacher im aufblühenden Ort, verändert: Albert Wendt wurde neuer Lehrer an der ansässigen Gewerbeschule. Fortan leistete er als Pädagoge und später als Direktor der Fachgewerbeschule zu Grünhainichen einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der ortsansässigen Spielwarenherstellung. Er besuchte oft die Handwerker in ihren Werkstätten und machte sie mit technischen Neuerungen der damaligen Zeit vertraut.

So ist es nicht verwunderlich, dass sich die Tochter von Albert Wendt, Margarete (genannt Grete) Wendt, schon in früher Jugend für das Bauen und Basteln, das Zeichnen und Malen begeisterte. Später studierte Grete von 1907 bis 1910 an der Königlich-Sächsischen Kunstgewerbeschule in Dresden und wurde noch während ihres Studiums von Karl Schmidt, dem Gründer der inzwischen weltbekannten Deutschen Werkstätten Hellerau, beauftragt, eine Weihnachtskrippe zu entwerfen. Mit ihrem Entwurf im Jahr 1910/11 war Grete Wendt ihrer Zeit voraus. Geradlinig und minimalistisch ist die Formensprache, wie man sie möglicherweise erst 1919 von den Künstlern des Bauhauses erwarten würde. Bis heute zeichnet sich die Figurengruppe durch eine moderne Gestaltung aus und überzeugt mit ihrer klaren Linienführung.

Gründung der Handelsgesellschaft
„M. Wendt u. M. Kühn“

1912 kehrte Grete Wendt nach Grünhainichen zurück. 1913 beteiligte sie sich an einem Wettbewerb für gute Reiseandenken des Vereines Sächsischer Heimatschutz mit der Figurengruppe der inzwischen legendären „Beerenkinder“ und errang mehrere Preise. Die Veröffentlichungen des preisgekrönten Figurenentwurfes der drei „Beerenkinder“ führten zu einer Vielzahl von Bestellungen, die vorerst von eigens beauftragten Spielzeugmachern sowie in der elterlichen Wohnung ausgeführt wurden.

In dieser Zeit reifte Grete Wendts Wunsch, sich mit einer eigenen Firma selbstständig zu machen. Gemeinsam mit ihrer Dresdner Studienfreundin Margarete Kühn, die dem Ruf nach Grünhainichen gefolgt war, gründete sie am 1. Oktober 1915 die offene Handelsgesellschaft  „M. Wendt u. M. Kühn“.

Das junge Unternehmen

Schon 1916 beteiligte sich die junge Firma erstmalig an der Leipziger Frühjahrsmesse. Im Januar 1919 übernahm Johannes Wendt, der Bruder Grete Wendts, die kaufmännische Leitung des rasch größer werdenden Unternehmens und wurde Mitinhaber. Außerdem meldete man in diesem Jahr das noch heute verwendete Firmensignet aus der wettergezeichneten Fichte mit den Insignien W. u. K. zum Schutz an. Entworfen hatte es die Lehrerin der beiden Firmengründerinnen an der Dresdner Kunstgewerbeschule, Frau Prof. Junge.

Margarete Kühn verließ die Werkstätten nach ihrer Heirat im Jahr 1920, wie es die beiden Frauen bei der Gründung vereinbart hatten. Alle Besitztümer einer Ehefrau gingen zu damaliger Zeit an den Ehemann über. Durch die Abmachung der Freundinnen wurde garantiert, dass die Firma in den Händen beider oder zumindest einer Gründerin verblieb.

Willkommen, Olly

Im Februar 1920 kam Olly Sommer, ebenfalls eine Absolventin der Dresdner Kunstgewerbeschule, als tatkräftige Unterstützung zu Wendt & Kühn nach Grünhainichen.

Olly Sommer verliebte sich in den Bruder von Grete. Sie heiratete Johannes Wendt und blieb ein Leben lang in Grünhainichen. Aus dieser Verbindung gingen die Zwillinge Hans und Sigrid hervor.

Für Jahrzehnte arbeitete Olly Seite an Seite mit Grete – stets im kreativen Wettstreit, der die künstlerische Schaffenskraft beider im wahrsten Sinne des Wortes beflügelte. Zum einen entwarf sie selbst Figurengruppen, so die bekannte Mondfamilie von 1925, und schuf andererseits vor allem die äußerst fantasievollen Bemalungen für viele Erzeugnisse.

Der Grand Prix – eine internationale Anerkennung

Die völlig neue Figurenbildnerei von Grete Wendt, bei der erst beim Zusammenfügen der gedrechselten, gesägten, gefrästen und geschliffenen Holzteile die figürliche Komposition entsteht, erreichte mit der „Goldmedaille“ und dem „Grand Prix“ für den Engelberg mit Madonna zur Pariser Weltausstellung 1937 internationale Anerkennung. Geschaffen in der guten Tradition erzgebirgischen Spielzeugs jener Zeit, zeugten die kindlichen Figuren jedoch von einer eigenen, künstlerischen Handschrift, die mit einer Vielzahl feinsinniger Entwürfe den Erfolg des kleinen Unternehmens begründete.

Während des 2. Weltkrieges musste die Figurenfertigung stark eingeschränkt werden. Mit der Modellherstellung für Offiziersschulen konnte man sich einigermaßen über Wasser halten, und nach Kriegsende wurde das kleine Unternehmen zunächst als Einzelfirma weitergeführt.

Hans Wendt übernimmt die Leitung des Unternehmens

Hans Wendt, der Sohn von Johannes und Olly Wendt, trat nach seiner Drechslerlehre und dem Ingenieursstudium 1954 in die Firma ein und übernahm schon kurze Zeit später die Werkstattleitung. Er konnte auch als späterer Betriebsdirektor den 1972 zwangsverstaatlichten Betrieb unter dem Namen VEB Werk-Kunst Grünhainichen weiterführen, während Grete Wendt die Manufaktur mit dem Tag der Verstaatlichung verließ. Sie verstarb 1979 im Alter von 92 Jahren.

Wendt & Kühn gelang es in den Jahren der DDR erfolgreich, der Massenproduktion zu entgehen und die unverwechselbare künstlerische Qualität zu wahren. Mit dieser äußerst weitsichtigen Philosophie blieb die Grundlage für eine erfolgreiche Reprivatisierung der Manufaktur in Grünhainichen unangetastet. Am 1. Juli 1990, im 75. Jahr der Firmengründung, begann dann ein neuer Zeitabschnitt für Wendt & Kühn. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands wurde das Unternehmen reprivatisiert. Olly Wendt konnte dieses Ereignis noch miterleben, sie starb ein Jahr später, im Juni 1991.

Neubeginn 1990

In Verantwortung für die traditionsreiche Manufaktur, für die Menschen im Unternehmen und die Region wurden jetzt längst überfällige Investitionen am Standort Grünhainichen getätigt. Schrittweise erfolgten eine gezielte Modernisierung des Maschinenparks, der sorgsame Umbau der alten Werkstätten und die Rekonstruktion des historischen Fachwerkhauses sowie der Neubau von Produktionsgebäuden.

100 Beschäftigte arbeiteten zum Zeitpunkt der Reprivatisierung im Unternehmen, heute fertigen 182 Mitarbeiter die feinen figürlichen Kompositionen und klangvollen Spieldosen, die in 26 Länder weltweit verschickt werden. Bis zum heutigen Tag ist Wendt & Kühn eine Manufaktur. Diesem Geheimnis ist es zu verdanken, dass die „junge alte“ Manufaktur auch nach dem Neubeginn 1990 eine so erfolgreiche Entwicklung nehmen konnte.

Familienunternehmen in 3. Generation

Am 1. Oktober 1997 tritt mit Tobias Wendt, dem jüngsten Sohn von Hans Wendt, die dritte Generation in das Familienunternehmen ein. Zunächst als Betriebsingenieur und wenig später als Geschäftsführer, übernimmt er am 1. Januar 2002 aus den Händen seines Vaters die Führung der Manufaktur. Nach bewegten 47 Jahren unermüdlicher Tätigkeit für das Unternehmen Wendt & Kühn erhält Hans Wendt am 7. Oktober 2002 für sein Lebenswerk das Bundesverdienstkreuz. Sechs Jahre später verstirbt Hans Wendt im Alter von 77 Jahren in Dresden. Tobias Wendt scheidet Ende 2010 aus dem Unternehmen aus. Ab 1. Januar 2011 übernehmen seine beiden Geschwister Claudia Baer, geb. Wendt, und Dr. Florian Wendt die Führung des Familienunternehmens.

Das Jahr 2015 beging Wendt & Kühn aus Anlass des 100. Firmengeburtstages würdig – mit Mitarbeitern, Fans und Händlern aus aller Welt. 2023 wurde ein weiterer 100. Geburtstag gefeiert: Den der weltberühmten Elfpunkte-Engel, die Grete Wendt 1923 entworfen hatte.